Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [3]

Vielleicht wäre es sinnvoll, eine solche Malerei versuchsweise eine Zeitlang ›rein‹ zu nennen, und sei es nur, um kenntlich zu machen, dass es sich bei ihr um eine legitime Weise handelt, die Kunst auszulegen – gerade dann, wenn man der Idee der Legitimität in Bezug auf die Künste misstraut. Man spricht gern von reiner Malerei seit den Bildern Cezannes, die de Chiricos Zorn erregten, weil sie seiner Auffassung nach auch den Talentlosen die Möglichkeit gaben, ›modern‹ zu malen, so wie Karl Kraus (dem es ebenfalls übel genommen wurde) Heines Verse kritisierte, weil sie so leicht nachzumachen seien und sich in den Händen der Nachahmer und Wichtigtuer gleichsam von selbst ergäben. Diese Auseinandersetzung ist, vorsichtig gesagt, ein bisschen lange her, sie ist eher Kunstgeschichte als lebendige Kunst, man muss schon nachschlagen, falls man wissen will, worum es seinerzeit ging. Die reine Linie, die reine Form, die reine Farbe, die reine Bewegung: lauter Reinheiten, lauter vergangene Revolten, aus denen anstelle einer geläuterten Kunst ein gleichgültiges Wissen um die Differenzen hervorgegangen ist, denen die Exponate ihre flüchtigen Triumphe verdankten. Gegenüber der heute klassisch genannten Moderne ist das, was Mersmann fette Malerei nennt, älter und jünger. Er findet sie bei Tizian ebenso wie bei Hans von Marées, er findet sie auch beim späten de Chirico, den keiner kennt, dessen verschmähte Werke aber in Mersmanns Kunstüberzeugungen eine Art durch Handschlag besiegelter Wiederauferstehung erfahren.