Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [17]

Unter den auffälligen, heute fast vergessenen Modephrasen des modernen Byzantinismus steht die der Chiffre obenan, weil sie das versteckte oder offene Bilderverbot anspricht, mit dem er hantiert. Der militärisch aufgeladene Hintersinn all der mühsam oder partout nicht zu entziffernden Botschaften, der ästhetischen Chiffrier- wie Dechiffriertätigkeit bleibt auch dort spürbar, wo er den Akteuren nicht bewusst zu sein scheint. Sie sichern das Überleben in feindlicher Umwelt. Wer zeigt, verrät, wer sich zeigt, zieht das Feuer auf sich, ein Automatismus, gegen den keiner der Entronnenen ankommt. Im Römischen Traum liegt diese Verflechtung des Zeigens und Nicht-Zeigens, des Sich-Zeigens und Sich-nicht-Zeigens obenauf. Das Gesicht – ein Antlitz, das flieht, der Körper – die Summe seiner Organe, zusammengehalten durch das Messer, das ihn am Hals durchbohrt. Aber er zeigt diese machtvolle Präsenz, in der das Bild des geschundenen Menschensohnes mit dem des Künstlers zusammenfließt und die Geste der Wandlung vollzieht. Gezeigt wird zuwenig und zuviel: zuwenig, um die Frommen zu befriedigen, zuviel, um nicht das Feuer der Verstörten auf sich zu ziehen. Seitenverkehrt zeigt sich, was es zu sehen gäbe, wäre die Sicht nicht durch Verbote versperrt, die zu benennen unter den Verrat militärischer Geheimnisse fällt.