Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [75]

Der Konstruktivismus hinter dem historisch zu nennenden Konstruktivismus, die Ideologie, die sich von einem bestimmten Zeitpunkt an eher aus den Schriften Nietzsches erneuert als aus denen des Bauhauses und sich dadurch auszeichnet, dass sie ein bisschen Theorie – die berühmten zwei Prozent – weglässt und dafür Arbeit und Soziales hinzuschüttet, als gelte es, die Ministerien der Vernunft zu besetzen, hat die produktiven Jahre Mersmanns begleitet und in gewisser Weise besetzt gehalten. Für einen wie ihn stellt sich daher irgendwann mit einer gewissen Zwangsläufigkeit die Machtfrage. Da sie auf dem Feld der sozialen Realitäten von vornherein geklärt ist, stellt sie sich noch einmal in der Kunst, wird dort ebenso grüblerisch wie unabweisbar: Wie ist es möglich, dass eine offenkundig kunstfeindliche Doktrin zur ästhetischen Praxis werden kann und sich allen augenscheinlichen Zweideutigkeiten zum Trotz behauptet? Die zwei Instanzen, die er namhaft macht, sind die bekannten Meta-Instanzen der Moderne, Wissenschaft und Markt. Es sind die formierenden Mächte dessen, was Hinz und Kunz nicht aufhören werden, Wirklichkeit zu nennen und dafür zu halten – Hinz und Kunz oder besagter Jedermann, Galeriebesucher und Bewohner aller Museumscafés, der darauf pocht, die Kunst sei dazu da, ihm etwas zu sagen. Eine Kunst, die nicht von jenen beiden Mächten getragen wird, ist nichts wert, sie verdient es nicht, in Augenschein genommen zu werden, man geht an ihr vorüber, als wäre sie nicht vorhanden. Es ist wahr, sie wäre nicht vorhanden, wenn sie darauf gewartet hätte, von jenen beiden gebilligt und als Ausfluss eines Talents gefördert zu werden. Eine absurde Mechanik sekundären Urteilens verhindert das Sehen, aus dem und für das Kunst als eigenständige Weise der Welterschließung, als Selbst- und Weltzugang sui generis hervorgeht und existiert. Allein der Gedanke, Realität müsse eher wissenschafts- und marktförmig als kunstförmig gedacht und erschlossen werden, macht der Kunst als autochthoner Größe den Garaus. Die Freiheit des Konstrukts und seiner Zufälle ist ein dürftiger Ersatz für das große Spiel einer freien Weltsicht, bestritten aus Mitteln, die zwar an jeder Stelle verwoben sind mit den das Heute formenden und von ihm seine Bestimmung empfangenden Instrumenten, aber ebensosehr ihren Eigencharakter und ihre Funktion in einem nicht abgeleiteten Weltverhältnis zur Geltung bringen.