Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [88]

Wie und in welchem Sinne ist die Moderne vergangen? Dass sie sich selbst historisch wurde, ist kein Anzeichen schwindender Vitalität. Überhaupt scheint es müßig, sie unter Vitalitätsaspekten zu behandeln, nachdem die Apparatewelt über das Leben fast nach Belieben verfügt und das Leben- und Sterbenkönnen in ihr aus dem Bereich der Sorge in den der Versorgung und der Fürsorge hinübergeglitten ist. Das Wort ›aktiv‹, von Plakatwänden auf den Einzelnen niederstoßend, verfügt über einen seltsamen Klang. Die Kunst nimmt an dieser Verschiebung teil, zugleich ist sie das Medium der Verachtung für die Schwächung des Subjekts, die damit einhergeht. Unschwer erkennt man in dieser Doppelbewegung die retrograde Bewegung wieder, in der sich die Kunst der Moderne – und vielleicht nicht nur ihr – gegenüber befindet. Aber ließe sich das Subjekt schwächen? Wie ließe es sich schwächen? Sollte man nicht besser sagen, es schafft sich neue Zonen der Unsichtbarkeit? Als kulturelle Einrichtung bedeutet ihm Kunst wenig, fast nichts. Auch sie will durchhalten und greift nach den zur Verfügung stehenden Mitteln, auch sie nimmt an jenem seltsamen Gang der Institutionen teil, eher die Selbstbeschreibung zu wechseln als aufzugeben. Der Wartesaal der Moderne hat ausgedient, man hat diverse, längst überfällige Um- und Ausbauten vorgenommen, populäre Musik durchperlt die Besucherzone, die Automaten sind fortgeschafft oder beiseite gerückt, man wird wieder richtig bedient, man tastet, man feilscht schüchtern hier und da. Man bekommt ja einen völlig anderen Eindruck und das ist gut so. Sollte der Zug heute einlaufen, diejenigen, die es bemerkten, blieben selbst unbemerkt im Gewühl. Doch daran ist gar nicht zu denken.