Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [28]

Unter den mehr oder weniger leeren Gesten der Kunst, die nach dem Krieg als zeitverschobene Gesten des Widerstands sanktifiziert wurden, wirkt Guernica wie ein Fanal. Der Künstler hat den Verdacht, es anders gemeint zu haben, nie bündig ausräumen wollen. Dass die Kunst auf autonomen Wegen dem Entsetzen zuarbeitet, das eine autonom gewordene Politik den Menschen bereitet, dieses kleine Geheimnis der Moderne liegt in der Wahrnehmung derer, die es angeht, obenauf. Es ist die bittere Zutat, die der Abundanz in den Bildern der Manieristen ihren Sinn verleiht: sie scheuen nicht vor der ›radikalen Konsequenz‹ in der Kunst zurück, in der die Goebbels-Stimme mitgeistert wie das Äffchen im Tross der Zirkusleute, sondern bedenken die Folgen – respice finem. Heraus kommt eine bedenkliche Kunst, nicht zuletzt in den Augen der Zeitgenossen, die ›konsequent‹ daran arbeiten, jene älteren Reste zu liquidieren, die der Zusammenbruch eines vergangenen Neuen ihnen unvermutet vor die Füße geschleudert hat. Was Überfluss heißt, bemisst sich am existierenden Mangel. Einer, der über jedes Maß hinausgeht, schafft einen Überfluss, der jede konkrete Vorstellung hinter sich lässt. In den Bildern der Manieristen herrscht Überfluss, den man wahrnimmt, aber nicht versteht, ein Überfluss an Kunst- und Lebenszeichen, der durch Intensität gewinnt, was ihm an Deutlichkeit abgeht. Die vermisste Kunst ist darin ebenso abwesend anwesend wie das vermisste Leben. Im Zeigegestus erinnern sie an jene mit Zetteln bedeckten Mauern im Trümmerfeld, auf denen Überlebende ihren verschwundenen Verwandten und Nachbarn Zeichen geben. Sie zeigen an, was den Menschen am meisten abgeht, das Nötigste wie das Fernste, im Modus des Abhandengekommenseins, nicht des reinen Wunsches oder der Utopie. Aus der Fernstellung des Vertrauten gewinnen sie ihre Kraft. Sie klagen nicht, sie klagen nicht an; sie wollen zurück, was den Menschen gehört. Ähnlich verlangt es die Kunst nach dem, was zu ihr gehört.