Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [35]

Er selbst... Als Sündenbock der Moderne bietet de Chirico gewisse Vorteile für alle, die zwanghaft auf der richtigen Seite stehen müssen. Das aufgewärmte Gezänk um kursierende Fälschungen und eine Handvoll schroffer, an anderer Stelle relativierter Bemerkungen über Maler-Kollegen, nichts, was in dieser von Prahlsucht und Hypochondrie überschatteten Branche nicht gang und gäbe wäre, bietet den Vorteil, bis in die zwanziger Jahre zurückzureichen. Man fand Zeit, sich daran zu gewöhnen. So schildert Mersmann, als Sohn eines 1933 beiseite geschobenen Malers nicht unempfänglich für das Signalement, das den Verfemten umgibt, die Lokalität einer Mailänder de Chirico-Ausstellung im Jahr 1961:

»Hier ist niemand zuhause. Hier kann es keine Beobachter geben. Jeder schlechte Rechtsanwalt könnte vor Gericht den Exhibitionisten, der hier nackt und verwirrt umherginge, freibekommen. Nichts Menschliches, würde er sagen, hat an diesem Ort die sittliche Kraft genügend gestärkt. Früher tagte hier das Ehrengericht der Schwarzhemden. Hierhin hatte man Chirico verbannt.
Den späten Chirico, den Erlöser aller, die lieber mit einem Tizian unter dem Arm untergehen wollen als mit etwas Echtem von Beuys in einer Konservendose weiterleben.«