Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [55]

Der tanzende Shiva – beziehungsweise der ›indisch‹ anmutende Gott, der ihn vor dem Betrachter vertritt – steht in einer Reihe mit den Botenfiguren anderer Bilder, allen voran dem Kind in Die Geburt der Moderne, von dem es heißt, es befinde »sich nicht auf der Flucht, sondern gleich Hermes in der zu seiner Botschaft gehörenden Bewegung, die symbolisch zu verstehen ist. Es eilt, wie der berühmte Hermes auf der Weltkugel, ohne sich zu entfernen. Wo man es auch sähe, es würde ruhend in Eile sein. Es ist auch ein Bild der Hoffnung, die keinen Ort hat, sondern immer miteilt, wie eine neben dem Zugfenster mitfliegende, immer gleiche Landschaft.« Im Marco Polo entspricht ihm der als Merkur ausgewiesene Überbringer des Urteils, in Hic est finis maris der tanzende Sonnenjüngling. All diese Figuren halten sich in der Bewegung, ›ohne sich zu entfernen‹, ohne sich aus einer Gegenwart zu lösen, die nur zum geringeren Teil räumlich bestimmt ist, wie ihre geringe topographische Verortung hinreichend zu verstehen gibt. Sie stehen aber auch in keinem zeitlichen Verhältnis, es sei denn, man betrachtet sie als das gemalte Mysterium der Zeit, als Figuren des unvergänglichen Jetzt, in dem sich die Komödie des Entstehens und Vergehens begibt. Von dieser Komödie ist auch in Mersmanns Schriften die Rede, sie wird für ihn zur Tragödie der Kultur dort, wo letztere sich gegen die Zukunft verschließt, indem sie über sie verfügt – sie plant in jener die Daseinsvorsorge überschreitenden Absicht, die eine bereits im Vergehen begriffene Realität festschreiben, mit einem künftigen Sinn ausstatten will, als sei diese Zukunft eine weitere Tabula rasa, in die sich die Gegenwart einschreiben könne, während sie doch das Unverfügbare ist.

»Nur das Eintreten dessen, was man nicht wusste, nicht wissen konnte, beglaubigt die Existenz dieser Zukunft. Der Zufall ist ihr Auftritt.«