Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [59]

Der Ausdruck ›Regung‹ scheint wie geschaffen, die Art von demonstrativer Gewissheit zu erläutern, die man in den Werken der Kunst zu spüren vermeint. Eine Kunst, in der sich nichts regt, mag Eindruck machen, aber diese Delle in der Wahrnehmung ist rasch wieder geglättet und bereit, anderen Eindrücken Platz zu machen. Insofern bleibt die blaue Leinwand auf dem Bild de Chiricos, vor der sich der Philosoph und der Dichter in steinerner Betrachtung zusammenfinden, eine ebenso folgenreiche wie leere Geste. Das große Blau, das vielen wie gemalt vorkommt, wenn es als südlicher Himmel, als Azur in den Köpfen der Sonnenanbeter erscheint, steht außerhalb der Kunst. Seine Reproduktion ist ›Wiedergabe‹ – als könne man dem Himmel die Einsicht, die man ihm verdankt, zurückgeben und auf diese Weise dem Bewusstsein eine Bresche schlagen. Diesen magischen Gedanken träumt Mersmann weiter, wenn er in Giannozzo und die Krellhinzen einen Spiegel ins Bild montiert, in dem sich der Betrachter in ein weiteres Bild aufgenommen sieht, und so den Raum der Kunst um den der Nicht-Kunst erweitert. Man kennt solche Effekte, sie sind beliebig reproduzierbar und deshalb nur in sparsamer Dosierung erträglich. Sie haben den harten Charakter des Zitats, dem gegenüber die Figur ›aufscheint‹, so wie ein Kork aufschwimmt, nachdem eine Welle ihn kurzfristig unter die Wasseroberfläche gedrückt hat. Damit erinnern sie an die Nötigung, der das Kunstwerk im Zeitalter der vollendeten Gleichgültigkeit ausgesetzt ist: es muss einem Betrachter ›etwas sagen‹, der doch schon alles weiß und glaubt, im Bilde zu sein.