Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [83]

›Weite‹ und ›Enge‹ sind Wahrnehmungsphänomene, hervorgerufen und verstärkt durch gelassene oder angstvolle Erwartung, durch Ahnungen abnehmender oder steigender Gefahr, durch Spannungszustände des Bewusstseins, das sich nicht als Zuschauer zweiten oder dritten Grades, sondern als Teilnehmer des Geschehens begreift, als Gefangener einer Konstellation, in der jeder Ausbruchsversuch im voraus pariert ist. Der Flügelfisch bezeichnet eine Figur der Enge, des angstvoll Auf-einen-Punkt-gebracht-Seins, von dem es kein Entrinnen gibt, es sei denn im Vergehen selbst. Die Gegenfigur zu ihm, in der sich Enge und Weite verbinden, erscheint im »gefangenen Proteus« der Freiheitsfahne:

»Sie hat noch kein Wappen, es ist nur eine Anlage, die Vordeutung eines Wappens darauf, ein gemaltes Etwas der Poesie und des Mutes. Man könnte meinen, es fiele einmal jemandem wie Schuppen von den Augen, was denn dieses Vorzeichen sei.«

Ein Rätsel also, das sich hier als abstrakte Figur des Zusammenstehens zeigt – ein wenig Blattwerk spielt nebenher, die bezügliche Farbe Rot erscheint in verschiedenen Abstufungen, das Ganze nicht hart und geometrisch, von einem kreisenden und schweifenden Pinsel hingesetzt, ein Rätsel, das in die Zukunft hinein aufgeht, nicht in die, die gerade im Begriff ist, in die Gegenwart einzutreten und spurlos in ihr zu verschwinden, sondern in jene andere, die sich als Zukunft in jeder Gegenwart erhält. Ein Vorzeichen, das sich der Maler zu deuten enthält, weil es deutungsoffen ist, ein gefangener Proteus, soll heißen eine im Aufbrechen fixierte Gestalt, in deren Namen viele Gestalten kommen und gehen.