Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [51]

Wer Moderne sagt, lügt – jedenfalls begegnet ihm etwas, das man, ins anschaulich Gedankliche übersetzt, Ideenflucht nennen könnte, ein Schwund, ein Mangel, der durch die massenhaft herumliegenden Gedankenhülsen, an denen sich jeder bedienen kann, dem die Lust danach steht, als eine Art Reichtum erscheint. Die Armut der Postmoderne, ihre demonstrative Raffgier, ihr ästhetischer Konsumismus, ihre demonstrative Modehaftigkeit verdichtet sich in der Grundmetapher der Bühne. Auf ihr verwandeln sich Menschen in Akteure, ohne dass sie das kleine Zeichen der Regie abwarten müssten, das ihren Einsatz markiert. Die postmoderne Bühne ist leer, denn sie ist freigeräumt von den Intentionen und Handlungsverläufen der Stücke, die auf ihr gegeben werden könnten, wenn sich das Interesse daran nicht bereits im Vorfeld verliefe. Sie ist voll, denn sie wimmelt von Handlungsreisenden, die ihre Nummer loswerden wollen, Schauspielern, die sich in heterogenen Rollen aufspielen und gleichsam absichtslos hier und da zusammentreten, um eine zeitlich und örtlich begrenzte Figur durchzuspielen, während sie sich im übrigen so isoliert voneinander bewegen wie die Heroinen auf Delvaux’ Schlafender Venus. Wer seine Rolle nicht beherrscht, wird gefeuert. So sieht man die Bühne dauerhaft erhellt vom Mündungsfeuer aus den Maschinengewehren der professionellen Entertainer. Währenddessen schwebt das Wort ›perfekt‹ in Großbuchstaben auf Bildschirmen in beliebiger Größe über den Kulissen. Das ist, wie gesagt, eine Metapher, und metaphorisch bleibt die gesamte Rede, vergleichbar dem Als-ob der Philosophen, das keinen befriedigt und den Hohn der Wissenden und Gekränkten hervorruft.