Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [61]

In einer Welt der Zerstörung, ins Werk gesetzter und kommender, gilt vielen eine Kunst, die Zerstörung vorwegnimmt, sie stellvertretend vollbringt und ausstellt, als anstößig und obszön. Diese gesuchte Obszönität zieht sich durch die Manifestationen des Betriebs. Kunst soll ›Anstoß erregen‹ und wehe dem, der Anstoß nimmt, der nicht schon verständigt wäre über den Kommerz, der in der Vokabel blank liegt. Aus dem Gelächter, das er erregte, könnte, wer wollte, unschwer die Angst heraushören, den Anschluss zu verpassen oder schon verpasst zu haben. Diese Angst lebt, wer den Ausverkauf anderen geistigen Umgangsformen vorzieht. Ein solcher Mensch ist ein Zwitterwesen, das sich dem Leiden aussetzen möchte, aber nicht zu sehr und, bitte, nicht außerhalb der Geschäftszeiten. Cioran, der selbst den Ausverkauf in Nietzsches Geist praktizierte, hat dafür die Formel gefunden:

»Die leichtfertige Begeisterung für das Leiden [...] ist charakteristisch für die Ästheten und Dilettanten des Leidens, die es einer Zerstreuung gleichsetzen und nicht verstehen, welch grauenhafte Verwesungskraft es in sich birgt, wieviel Zersetzungswut und wieviel Gift, aber auch wieviel Fruchtbarkeit, welche dich indessen teuer zu stehen kommt. Das Monopol des Leidens besitzen heißt, über einem Abgrund schwebend dahinleben.«