Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [62]

Die apologetische Empörung, die blendend vom Leid der anderen lebt, die reise- und dokumentationsfreudige Erkundung der Leidwüsten des Planeten und die aufs Ausgeben versessene Raffgier, für die sich Kunst im Design realisiert, ergeben die vollendete Drei der Epoche. Es sind Merkzeichen in den Gehirnen von Leuten, die mitreden wollen. Mersmann hält sie für Formen eines magischen Primitivismus, der mit Fetischen hantiert:

»Die durch Deutung gesteigerte, ja durch sie erst beschworene Schattenkunst, ein Grundzug des neobarbarischen Fetischismus, kann bis heute kaum besser als einst durch Swift verhöhnt werden, der folgende Ankündigung einer Kirmesbude der Literatur hinterlassen hat: ›Hier sehen sie den größten Elephanten der Welt, außerhalb seiner selbst.‹«

Der junge Cioran schrieb auch dazu den Kommentar:

»Primitive Sensibilität besitzen bedeutet, nichts von den großen schmerzvollen Wirklichkeiten verstehen, nichts von dem, was das Leben an Unheilbarem und Unausweichlichem birgt, an Elend und Tod. Die Illusionen der Magie verneinen das Irreparable der Welt und den Tod als verhängnisvolles und universales Wirken.«

Gegen die primitive Magie steht der Alchimismus der Kunst, das halb wissende, halb mimetische Hingegebensein im poietischen Vollzug, als probates Mittel, die Raserei des Herzens, des wieder Gefühl gewordenen und als Schauspieler seiner selbst hantierenden Intellekts, durch die produktive Welt der Bilder aufzufangen und zu mäßigen. Die hoffnungslose Hoffnung der im Zeichen Saturns Geborenen erfindet die Leere der Welt nicht als Nihil oder Chance, sondern als aufnahmefähiges Medium, vergleichbar der sorgfältig zugerichteten Leinwand, auf der etwas erscheint, das sich in Farben und Mustern zwar ausdrücken, aber nicht fixieren lässt.